Krise bei Ryanair
In den letzten Monaten ist die Billigfluggesellschaft Ryanair in die Kritik geraten. Tausende Flugausfälle, fragliche Angestelltenverhältnisse und inmitten des Durcheinanders hunderttausende geschädigte Flugpassagiere.
Bereits Mitte September kündigte Ryanair überraschend Flugausfälle an. Innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Monaten sollten täglich bis zu 50 Flüge gestrichen werden - das entspricht insgesamt 2.100 Streichungen und 315.000 betroffenen Fluggästen. Auch Flüge ab und zu deutschen Flughäfen sind betroffen.
Ende des selben Monats, nur etwa zwei Wochen nach der ersten Streichwelle wurden weitere Flugausfälle bis März 2018 angekündigt. Für den Winterplan sollen von den etwa 400 Ryanair-Maschinen 25 Flugzeuge weniger als geplant fliegen. Das sind weitere 400.000 geschädigte Passagiere. Als Gründe für die erheblichen Störungen nannte Ryanair-Chef Michael O'Leary Fehler bei der Urlaubsplanung des Personals.
Bei der Bekanntgabe der Flugprobleme sicherte Ryanair Betroffenen Umbuchungen und Kostenrückerstattungen für die Flugtickets zu. Durch die öffentliche Aufmerksamkeit in den Medien ist der Andrang von Kunden bei Ryanair groß, sich über Ihren Flug zu informieren und Entschädigungen zu erkundigen. Eine Vollauslastung beim Kundenservice und damit einhergehend längeren Bearbeitungszeiten liegt nahe, ähnlich wie bei der insolventen Air Berlin.
Neben den zahlreichen Ausfällen kämpft der Billigfluganbieter mit Widerstand des Personals. Vergleichsweise niedrige Gehälter waren nie ein Geheimnis. Allerdings hat das Flugpersonal erkannt, dass inmitten all der öffentlichen Kritik und des Drucks von Medien der perfekte Zeitpunkt ist, um bessere Arbeitsverhältnisse zu fordern. Die Piloten der größten Fluggesellschaft Europas fordern feste Arbeitsverträge nach örtlich geltendem Recht und Gehälter, die sich an denen der Konkurrenz orientieren. Üblicherweise sind die Mitarbeiter über irische Arbeitsverträge bei Personalfirmen von Ryanair beschäftigt statt direkt beim Billigflieger. Expertenschätzungen zufolge seien bis zur Hälfte aller Piloten bei Ryanair über solche firmen oder selbständig angestellt. Zusätzlich kommen Forderungen vom begleitenden Bordpersonal, die ebenfalls über fragwürdige Leiharbeitsverträge unter irischem Recht angestellt sind. Das irische Recht erlaubt relativ kurze Kündigungsfristen, Urlaubstage und permanente Beschäftigung in Leiharbeit.
Die Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern von Ryanair ist spürbar, die Fluktuationsrate hoch. Das merkt nicht nur der Vorstand, sondern auch die Konkurrenz. Etliche Piloten werden von anderen Fluggesellschaften abgeworben, die höhere Gehälter und bessere Arbeitsbedingungen bieten. Der Druck ist derart groß, dass Ryanair-Chef O'Leary seinen Piloten mehr Geld und bessere Arbeitsverhältnisse bietet. Er fordert, dass sie nicht zur Konkurrenz wechseln sollen und lockt sie mit einem "Loyalitäts- und Produktivitätsbonus", das bis zu 12.000€ mehr für Piloten und 6.000€ für Co-Piloten pro Jahr umfasst, sofern Zielvorgaben erreicht werden. Auch Gehaltserhöhungen wurden für einige Basen angekündigt. Am irischen Arbeitsrecht hält er nach wie vor fest. Doch genau das ist den Angestellten am wichtigsten und nicht etwa Bonuszahlungen. Es geht mehr um sichere, langfristige, gute Arbeitsbedingungen als die Aussicht auf mehr Boni beim Erreichen bestimmter kurzfristiger Ziele.
Trotz allem: Ryanair ist nach Passagieraufkommen die größte europäische Airline und fährt mitunter die höchsten Gewinne von allen Fluggesellschaften ein. Die Krise trifft Ryanair und vor Allem das Image des Unternehmens. Andere Billigflieger wie easyJet, die direkte Konkurrenten sind haben nicht mit derartigen Imageproblemen zu kämpfen. Es wird klar: Auch wenn die Geschäftszahlen einen stabilen Eindruck vermitteln, stecken hinter dem Unternehmen viele Baustellen, an denen gearbeitet werden muss, um die Marktposition zu erhalten. Die Luftfahrtbranche ist weltweit einer der härtesten überhaupt. Trotz lokalen Marktführern gibt es unzählige Fluggesellschaften auf regionaler wie internationaler Ebene, die den Markt aufmischen wollen. Deutlich wird das durch Insolvenzen wie neuerdings bei Air Berlin und Neugründungen der letzten Jahre von Fluggesellschaften wie Sundair und Small Planet Airlines.